Nein, Bosnien ist jetzt nun wirklich nicht das Top Reiseziel in Südosteuropa. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die olympischen Spiele 1984, aber das war es dann auch schon. „Da unten ist doch bestimmt noch Krieg, oder?“ Damit dürfte das Bild von Bosnien-Herzegowina komplett sein. Dass es auch anders aussehen kann, möchte ich mit dem zweiten Teil meiner Balkanreise zeigen.
Wer im Erdkundeunterricht aufgepasst hat, weiß etwas mit dem Begriff land-locked country anzufangen. Also ein Staat, der keinen eigenen Zugang zum Meer hat. Ganz trifft dies natürlich nicht auf Bosnien zu, aber im direkten Vergleich mit Kroatien fehlen einfach die tollen Adria-Strände um Heerschaaren von Touristen anzulocken. Das muss aber kein Nachteil sein. Wer etwas entdecken möchte und gerne auch mal ohne Reiseführer Urlaub macht, der ist in Bosnien richtig aufgehoben.
Auf unserer Reise hatten wir zwar den sagenumwobenen „Lonely Planet – Western Balkans“ mit im Gepäck. Richtig hilfreich war der aber nicht. Die Autoren hatten schon allerhand Mühe Sehenswürdigkeiten im bekannten Stile eines Pauschalreiseführers aufzutreiben. Da wurden kleine Wasserfälle zu tollen Attraktionen gemacht und Ähnliches aus den Fingern gezogen. Die für uns wirklichen Attraktionen wurden gar nicht erwähnt. Warum soll sich ein Reiseführer auch mit zerschossenen Fußgängerbrücken und ausgebrannten Hotels beschäftigen?
Aber genau so eine Brücke an der Hauptverkehrsstraße Richtung Banja Luka wurde für uns zur Zeitmaschine. Zu einer Zeit als die Brücke geplant und dann auch fast fertig gebaut wurde, dachte man wohl ein einen Aufschwung der ganzen Region und einen nicht unerheblichen Straßenverkehr. So musste also eine Fußgängerüberquerung her um den Reisenden von der anderen Straßenseite den sicheren Weg zum Motel auf der anderen Seite zu ermöglichen. Übrig geblieben sind zwei Treppentürme und ein fantastischer Ausblick auf einen Querschnitt europäischer Kraftfahrzeuge der späten 80er Jahre, die fast staatstragend an uns vorbeifuhren und ein kindisches Gefühl der Freude verbreiteten.
Trotz unserer Abneigung gegen klassische Touristenziele war ein Stopp in Sarajevo Pflicht. Nirgendwo kann man besser sehen, wie es um die Situation eines Landes bestimmt ist als in den Hauptstädten. Sarajevo ist so ein klassisches Beispiel. Einerseits stehen dort moderne westliche Hotels direkt neben mit UN-Geldern hübsch herausgeputzten, antiken Ausgrabungsstätten und nur eine Straßenecke weiter sind noch die Einschusslöcher des Bürgerkrieges zu sehen. Wie bei einer Narbe verheilen auch diese Spuren nur langsam mit der Zeit. Und das sind nur die offensichtlichsten Spuren, die selbst wir als nicht-Einheimische wahrnehmen konnten.
Einen Tipp soll es noch geben falls Sie in die Verlegenheit kommen in Sarajevo, die Trambahn zu benutzen. Eigentlich ist es ganz einfach. Es gibt nur ein Ticket und einen Fahrpreis, da die Bahn immer im Kreis fährt. Vergewissern Sie sich unbedingt vor Fahrtantritt, dass Ihr Ticket auch korrekt entwertet (gelocht) wurde. Sonst können Sie bis drei zählen, bis Sie von wenig freundlichen Kontrolleuren umzingelt werden, die es scheinbar nur auf nichtsahnende Touristen abgesehen haben. Es kommt nämlich oft genug vor, dass die Entwertungsmaschinen zwar einen Ton von sich geben sobald ein Ticket eingeschoben wird, aber kein Löchlein gestanzt wird. Sehr belastend war die Strafe für die Urlaubskasse nicht aber dennoch ärgerlich, da das Ganze irgendwie nach Methode aussah.
Wer dem morbiden Charme ausgebrannter und zerschossener Gebäude erlegen ist, kommt im ehemaligen olympischen Dorf oberhalb von Sarajevo voll auf seine Kosten. Meistens ist man dort ganz für sich alleine, nur selten verirrt sich ein Bautrupp hierher. Aber was wollen die Männer dort reparieren? Wir haben es nicht herausgefunden.

Wenn man nicht ständig an die Opfer erinnert würde, die die kriegerischen Außeinandersetzungen gefordert haben.
Rechtlich gesehen besteht Bosnien-Herzegowina aus den zwei Entitäten Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republik Srpska. Achten Sie auch darauf, ob Sie einen bosnischen oder serbischen Kaffee bestellen. Man wird Sie sonst im Straßenkaffee schief ansehen. Diese merkwürdige Konstellation ergab sich nach den Balkankriegen aus dem Vertrag von Dayton 1995 und soll den Einfluss der Serben begrenzen. Tatsächlich fühlen sich die Bewohner der Republik Srpska den auch Serbien sehr nahe. Das ändert aber nichts an der Freundlichkeit der Leute. Wo immer wir angehalten haben, sei es um nach dem Weg zu fragen oder um nach einer Bleibe für die Nacht zu suchen, wurden wir herzlich empfangen. Vielleicht lag es auch am „D“ auf dem Kennzeichen.

… denn immer noch kommen mehrere Menschen jedes Jahr durch die hunderttausendfach verlegten Landminen ums Leben.

Reife Leistung Volkswagen! Nur wenige Fremdfabrikate haben sich auf den Hof dieses Sägewerks verirrt.

Espresso? Gibt es hier nicht. „Türkischer“ Kaffe und türkischer Honig werden nach dem Essen gereicht.
Was wir in Montenegro erlebten und was dieses Land so faszinierend macht, lesen Sie im nächsten Teil.
Pingback: Autoreise durch den Balkan – letzter und 4. Teil | autosleben
Vielleicht ein Hoffnungsschimmer für das Land: http://www.tagesschau.de/ausland/bosnien-eu-mitgliedschaft-101.html Die eidgenössischen Leser werden das naturgemäß etwas anders sehen. 🙂
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Toll! Ein seltener Moment, um fremdes, „uninteressantes“ Gebiet (für die meisten) beschnüffeln zu können. Mich macht es heute noch traurig, hatte ich doch die Spiele 1984 sehr intensiv verfolgt. Wie hat Bosnien Zukunft? Interessiert sich überhaupt jemand? Schade…
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1984 war ich leider noch zu klein um die Spiele zu realisieren. Aber ja, die Zukunft Bosniens macht mir auch Sorgen, eigentlich ein wunderschönes Land mit einer spannenden Kultur!
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