Ich habe Sie in den letzten beiden Moby-Beiträgen genug geschockt was den Alltagseinsatz des alten treuen Daimlers anging. Wie versprochen, geht es in diesem und im nächsten Beitrag um die Restaurierung.
Um Ihnen diese Geschichte erzählen zu können muss ich etwas ausholen. Ich gebe mir Mühe, dass es nicht zu weit bzw. langweilig wird. Ein guter Freund* von mir ist dem Stern sehr zugeneigt wenn man das so sagen darf. Er brachte mich schon zu einem 280E von 1984 und einem 190E 2.5-16. Von diesen Fahrzeugen wird noch zu lesen sein. Zurück zu Moby, gegen Ende 2012 wurde klar, dass eine Karosserierestauration unumgänglich wird. Die Karosse hatte in den letzten 33 Jahren (er ist Baujahr 79) einfach zuviel gelitten. Selbst die nachgerüsteten Innenkotflügel konnten den Verfall nicht mehr aufhalten. In der Schweiz wäre eine Restauration unwirtschaftlich gewesen, da diese Autos wertmässig leider zu tief notiert sind dafür. Da kam mir die Idee mit Polen. Nur, man sollte entweder eine Werkstätte kennen oder zumindest eine empfohlen bekommen. Besagter Freund hat einen ehemaligen Arbeitskollegen welcher aus Polen stammt. Das ist das polnische Rezept, ein Freund, der einen Freund hat mit einem Schwager… 🙂
Kurzum, im Dezember 2012 brachte ich ihm den Wagen nach Deutschland von wo er ihn nach Polen überführte zu einem Kumpel mit kleiner Werkstätte in der Nähe von Kattowitz (Katowice) im ehemaligen Schlesien. Der Plan war, dass wir (meine Mutter, mein reisefreudiger Onkel sowie meine Wenigkeit) im Juni 2013 mit meinem alten Audi 100 nach Polen fahren. Der Audi brauchte dringend neue Radläufe hinten. Wir planten ihn während 9 Tagen bei Radek in der Werkstatt zu lassen und in dieser Zeit mit dem frisch restaurierten Moby nach Ostpreussen hochzufahren. Nach dieser Tour wollten wir uns wieder in Kattowitz einfinden und beide Autos mit heim nehmen. Ich spreche hier in der Vergangenheit weil dies 2013 war, aber alles klappte wie geplant. Da muss ich den Polen ein grosses Kränzchen winden, man steht zu seinem Wort und dem offerierten Preis.
*besagter Freund wird demnächst auf dieser Seite als zweiter Schreiberling in Aktion treten, was mich sehr freut!
Nun fragen Sie sich vielleicht, wieso ich „Schlesien“ bzw. „Ostpreussen“ sage. Sagt man doch nicht als moderner Gutmensch. 🙂 Da muss ich entgegnen, dass diese Gegenden zwar heute zu Polen bzw. stellenweise zu Russland gehören, aber früher Jahrhunderte lang zu Deutschland. Mich interessiert diese Geschichte schon seit langem, diese Reise war dann auch die zweite nach Ostpreussen bzw. die dritte nach Schlesien.
Lassen Sie uns doch einen Blick in die Karte werfen, es geht nichts über eine gute Reisevorbereitung 🙂
diese Karte stammt aus der Zeit der Weimarer Republik und nicht aus einem Propagandaverlag des böhmischen Gefreiten!
Aus heutiger Sicht eine ungewohnte Karte.
Da wir mit dem 72PS Moby unterwegs waren zählen wir uns zu den Autofahrern und nicht den erwähnten „Sportler“. 🙂
Die Karte geizt nicht mit Hotelvorschlägen, wer will schon im Auto schlafen?
Aber auch Reparaturwerkstätten kommen nicht zu kurz, eben optimal vorbereitet
Na, dann fahren wir doch los! Die erste Etappe führte uns von der Schweiz bis nach Ingolstadt mitten in Bayrisch-Kongo. Hier wohnt der berühmt-berüchtige Bauplatzgangster welchem wir einen Besuch abstatteten. Diesen Namen hat er noch aus seiner Jugend. Er sammelt seit vielen Jahren alte Audis und Golf II, am Stück oder auch schön filetierte Teile. Wie ein Metzger kauft er Schlachtopfer auf und verkauft das Schlachtergebnis danach wieder 🙂
Unser Motel Maier, hier nächtige ich immer wenn ich in Ingolstadt bin. Für Retrofreaks ein absolutes Muss! Es wurde hier in den 80er Jahren sogar eine Derrickfolge gedreht.
Unser aufmerksamer Gastgeber verpasste es nicht, neben einem bayrischen Abendesssen auch noch etwas Sightseeing in Ingolstadt einzubauen. Aber sehen Sie selbst:
Nach diesen schwer verdaulichen Eindrücken legten wir am nächsten Tag bei strömendem Regen los mit der Fahrt nach Kattowitz.
Hier ein Photo von einer Rast kurz vor Gleiwitz. Die alte Audischaukel namens Audi 100 GL 5E schlug sich tapfer. Auch ihn werden wir in einem anderen Beitrag näher kennenlernen.
In Polen ist die MFK (TüV) einfach etwas lässiger drauf:
Erster Kontakt mit Moby
Schön oder? 😀 Allerdings muss ich hier sagen, die Bilder welche ich zwischen Weihnachten 2012 und Juni 2013 erhielt gaben mir mehr Bauchweh. Wie gehts Ihnen dabei?
Übel nicht? Ich hätte nicht gedacht, dass der Hobel an gewissen Stellen so stark rostet!
Wie das so ist, stirbt natürlich auf den ersten 2 Kilometern noch etwas, das Blinkerrelais wollte nicht mehr. Zum Glück hatte mein polnischer Freund Ersatz bei sich zu Hause!
Nun ging es los, nordwärts Richtung Ostpreussen. Den Wallfahrtsort Tschenstochau (Czestochowa, was für ein Name, in polnisch wie in deutsch) passierten wir ohne Berücksichtigung, wir beschlossen dies auf der Rückfahrt nachzuholen.
Rast unterwegs in den weiten Wäldern Polens.
Die polnischen Holzkirchen sind sehr sehenswert! Solche Schätze findet man oft auf Nebenstrassen.
An dieser Stelle möchte ich jedem Polenreisenden die Nebenstrassen sowie gutes Kartenmaterial ans Herz legen. Die Natur und die Dörfer sind einfach unverfälschter und verhungern tut man in Polen sowieso nirgends, es hat genügend Restauracjas 🙂
Die Radkappen fehlen übrigens nicht, die blieben nur aus Sicherheitsgründen zu Hause. Ich möchte den Polen hier aber nichts unterstellen, wir hatten auf 3 Polenreisen NIE irgendwelche Sicherheitsprobleme. Man hört und liest ja so einiges, aber das Risiko schätze ich in Deutschland mindestens gleich hoch ein.
Lauschige Plätzchen an einem Fluss für eine erholsame Pause gibt es hierzulande viele.
Auch wir nächtigen mal modern, Platz für eine standesgemässe Hofzufahrt ist ja genug da.
Diese Kirche sahen wir von unserem Hotel aus, in dem Licht weckte sie unsere Neugier…
…welche wir tagsdrauf als erstes stillen wollten:
Man kann auch heutzutage noch schön bauen ohne dass sich jeder Architekt verwirklichen muss.
Ich glaube, ich habe es verpasst Sie vorzuwarnen, dass es in diesem Beitrag weniger um Autos als eher um Land und Leute geht 🙂 tschuldigung!
Unterwegs durfte auch ein polnisches Heimatmuseum nicht fehlen. Es war nicht ganz so gross wie der Ballenberg aber durchaus idyllisch gelegen. Da kannten wir aber das ostpreussische Heimatmuseum nicht, welches wir später entdeckten.
Was da so alles blüht, wunderschön!
Schauen Sie sich im Ausland auch immer gerne das Sortiment der Tankstellenshops an? Ich finde, es sagt jeweils einiges aus über das Leben auf dem Lande.
So wurden wir kurz nach der Einreise ins ehem. Ostpreussen begrüsst: von Meister Adebar mit Nachwuchs!
Etwas Strassenromantik von ganz früher, Pflastersteinstrassen oder auch Feldwege kommen hier noch oft vor, dafür ist Moby natürlich der richtige fahrbare Untersatz.
Diese Bilder zeigen etwas Bahnromantik. Unser Hotel lag direkt am Niedersee bei Ruciane-Nida (Nieden). Ich dachte die Bahnlinie sei sicher schon stillgelegt. Denkste, beim Feierabendbier hörten wir einen Güterzug mit Diesellok durchfahren 🙂
Das wären doch noch Vorlagen für einen Modellbahnbauer 🙂 Hab ich Ihnen schon erzählt, dass ich von einer Modellbahn träume? Aber lassen wir das, ich werde das erst nach der Pensionierung umsetzen. Ich leide an zuvielen Träumen gepaart mit zuwenig Zeit-Platz-Kohle 😀 aber ich möchte mich nicht beschweren und wieder zurückkommen auf die Reise!
Ich will jetzt nix hören von wegen Vorbild und so…
Das Sie mir diese Uwaga (Gefahr) bitte auch immer vor Augen halten wenn Sie das nächste Mal an eine Schranke fahren!
Den Rückweg von dieser Spaziertour habe ich dann schwimmend durch den Niedersee zurückgelegt. Herrlich erfrischend, dazu in solcher Kulisse schwimmen zu können, da kann ich mich sogar als Sportmuffel begeistern. Die Photos von meiner Wenigkeit in Badehose erspare ich Ihnen hier aber. Dafür gibts nochmal ein Bildli vom See:
Bevor ich jetzt alle autoaffinen Leser hier verliere, es folgen hier gesammelt einige Autoeindrücke querbeet durch Polen. Danach gehts weiter mit der Reise.
Tags darauf gings zur Wolfsschanze. Kurz erklärt, diese Wolfsschanze liegt in einem dichten Wald mit Sümpfen und bildete ein Hauptquartier des ostwärtsgerichteten Reiseführers… Es ist unglaublich was man in diesen Wäldern noch alles an Bauten aus dieser Zeit findet. Die Bauweise war derart stabil, dass sogar die Sprengversuche beim Räumen der Anlage nicht wirklich fruchteten. Der Kruppstahl glänzt noch heute mit der Sonne um die Wette. Wenn doch Mercedes nur halb so rostresistentes Blech verbaut hätte in den 70er Jahren…
Hier also zweimal „Made in Germany“:
Ein ungewohntes Zusammenspiel von schöner Natur, alter Technik und in Beton gegossene Weltanschauungen…
Ich hoffe, mein Polnischunterricht hat schon gefruchtet und Sie kennen jetzt das passende Wort für dieses Bild?
Lösung untenstehend
UWAGA heisst das Wort für solch gefährliche Klettereien 🙂
Nachfolgend die polnische Art, mit dem schweren Erbe dieses geschichtsträchtigen Ortes umzugehen. Die Beurteilung überlasse ich dem Leser.
Mit dem Kübel wird man zu einem damaligen Gefechtsstand gefahren, wo man mit chinesischen Gewehren Schiessübungen abhalten kann…
Nach dieser schweren Kost kommen wir wieder zur leichten Romantik von Überlandstrassen und definitiv stillgelegten Eisenbahnlinien:
Mit diesen Bildern möchte ich den ersten Teil der Restaurationsreise beschliessen. Hier gehts zur Fortsetzung: https://autosleben.com/2015/02/21/moby-dick-teil-4-zweiter-teil-von-ostpreussen-und-die-heimfahrt/