Tunen Sie Ihr Auto herkunftsgerecht – ein paar weniger ernst gemeinte Eindrücke von den Strassen Europas

Oft ist bei Autofans ja beim Kauf eines Autos einer bestimmten Marke auch viel Sympathie für das Herkunftsland dabei bzw. zur Kultur, die der Durchschnittsmensch mit einem gewissen Kfz verbindet. Der BMW-Fahrer schätzt die bayrische Kultur, der Alfa-Fahrer die Italianità, der Mercedesfahrer identifiziert sich mit dem Schwäbischen Motto „sparen, koste es, was es wolle“. (Bevor jemand Luft holt um sich aufzuregen, den Spruch habe ich von einem Schwaben mit AOC-Zertifikat)

Wer ein richtiger Italiener sein will, muss sich erst zwischen der Variante „Junior“ oder „Senior“ entscheiden. Die jüngere Wahl klebt auf jedes Auto (ausser solche der Marke Ferrari) soviele Ferrarikleber, dass sich Enzo selig im Grab umdreht, da ihm Fiat Unos mit seinem Pferdchen sicher nicht behagen. Dazu gehört auch der entsprechende Fahrstil; sonntags in der Kirche dafür beten, dass am Montag beim Überholmanöver in der Kurve keiner entgegenkommt. Funktioniert erstaunlich gut, das kann jeder Italienreisende nach einer Weile bestätigen. Dass das Telefonino dabei am Ohr gehalten wird, unterstreicht, dass der Fahrer den Stil verstanden und verinnerlicht hat. Freisprecheinrichtungen passen dazu wie Heilandsandalen zum Rocker.

Die Variante Senior hingegen unterscheidet sich grundsätzlich vom Junior. Hier ist vonnöten, dass Sie über eine Stufenhecklimousine verfügen. Bei dieser entfernen Sie alle Kopfstützen, montieren Spritzschutzlappen und überschreiten die 50km/h Grenze nun niemals mehr. Diese Variante wird durchaus auch gerne in Osteuropa von der selben Zielgruppe gelebt. Bei der französischen Variante müssen Sie zusätzlich noch Hammer und Schleifpapier besorgen und damit die Stosstangenecken und JEDES Blechteil bearbeiten. Wenn sich der Herr Andreas Zitrone weigert, Neuwagen immer noch mit Wellblech auszuliefern, so ist dem gewünschten Zustand nun halt mit der modernen do-it-yourself-Technik beizukommen.

Wem die bayrische Kultur zusagt, sorgt dafür, dass sein Auto im Zeitraffer altert. Die Besten unter Ihnen schaffen es, dass Autos welche noch produziert werden, bereits über Rostflecken verfügen. Aber nicht jeder kann ein solcher Meister sein, um dabei zu sein reicht auch ein durchschnittlicher bayrischer Pflegezustand. Dazu verzichtet man auf jegliches Autowaschen ab Neukauf. Wer mir nicht glaubt, spaziert mal durch das malerische Ingolstadt und konzentriert sich nicht auf die definitiv sehenswerte Altstadt sondern auf die fast neuen Audis, welche oft Werksangehörige bewegen. Diese Audis erkennt man zuverlässig an der Schmutzkruste, man könnte meinen, jeder Ingolstädter habe noch ein Feld, dass er mit seinem A3 bearbeiten muss.

 

Wem das Land der begrenzten Möglichkeiten zusagt, meint irrtümlicherweise, er sei mit einem überrestaurierten 1970er Dodge Charger R/T dem Lebensgefühl am nächsten. Denkste! Erstens waren die Kisten neu und unrestauriert nie so schön lackiert und klapperfrei zusammengebaut. Zweitens fährt der Durchschnittsami keinen Charger R/T. Viel eher fährt er einen verlebten Dodge Caravan (Chrysler Voyager), einen Buick Riviera mit verkehrt äh quer eingebautem V6 und nur noch einer Radzierblende (dafür mit 10 leeren Schachteln vom goldenen M, welche sich kunstvoll im Innenraum verteilen) oder ganz klassisch einen Pickup. Einen Pickup scheint jeder Ami ausserhalb NY zu benötigen. Ähnlich voll dabei ist man mit einem RV (Recreational Vehicle oder gut deutsch Erholungsfahrzeug sprich Wohnmobil). Und jetzt gehen Sie mal auf ein europäisches Amitreffen. Es gibt einige Teilnehmer da, die meinen sie würden die Realität abbilden mit ihren hochglanzpolierten Schlitten aller Baujahre. Pickups, RVs, V6-Kisten aus den 80ern und 90ern (Sie wissen ja, diejenigen mit dem falsch eingebauten Motor) sowie die Voyager/Caravans fehlen fast gänzlich. Und wenn Sie einen Pickup erblicken, ist er sicher tiefergelegt und hat irgendwelche viel zu breite Spielzeugräder dran. Kratzer suchen Sie ebenfalls vergeblich.

Der Schweizer hat jetzt scharf geschossen und sein Volk ausgelassen. Das kann man so nicht stehen lassen. Denn die Schweizer haben durchaus auch Ihre Eigenheiten. Sie bestellen gerne Vollausstattung, aber lassen ihren Tempomaten dann rechts liegen. Wenn sie nun auf der Autobahn überholt werden, beschleunigen sie oft unbewusst. Die Schweizer Variante des Seniors erkennen Sie zuverlässig an schief aufgeklebten REGA- und TCS-Aufklebern an oft recht grossen Schiffen, welche die Kompetenz des Fahrers sagen wir mal gut ausreizen mit Ihrer Masse. Allerdings sind diese fast immer bis zum Schluss scheckheftgepflegten Autos oft gesuchte Exportartikel.

Die Niederländer, Belgier und Österreicher habe ich bewusst ausgelassen, auch wenn man viel drüber spricht, mir fiel noch keiner in irgendeiner Art auf. 🙂 Ebenso bei den Österreichern, obwohl mich deren Geschwindigkeitsaufhebungstafeln an den Ortseingängen jedes Mal erheitern. Wer das Ganze Geschreibsel des Autoren dieses Mal ernst nimmt, ist selber schuld. 😉

Was machen Sie auf Europas Strassen für ernste oder weniger ernste Erfahrungen?

 

 

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4 Gedanken zu “Tunen Sie Ihr Auto herkunftsgerecht – ein paar weniger ernst gemeinte Eindrücke von den Strassen Europas

  1. Eine Ergänzung zu diesem glänzenden Artikel habe ich auch: wenn man sich das Autoklientel, seinen lädierten Zustand und deren Parkkünste am rechten Straßenrand der Stadt Wien anschaut, dann zieht man unwillkürlich Parallelen ins Paris der 70er bis 90er Jahre, wo jedes Fahrzeug, egal welcher Klasse, deutliche Kampfspuren vom allzu motivierten Einparken zeigt. Ein Fahrzeug mit wiener Zulassung ohne Kampfspuren ist jedenfalls sehr selten.
    So wollte ich in den frühen 2000ern auch dazu gehören und habe für die regelmäßigen Wien-Aufenthalte mein Fahrzeug authentisch getuned.Mit Beulen und Kratzern. Auch Autodiebe kann mit dieser Maßnahme wirkungsvoll abhalten.

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    • Ich kenne Österreich zwar relativ gut, aber Wien habe ich bisher nicht besucht. Wie sich das anhört, war das kein Fehler. Der Ruf von Paris ist ja weltbekannt mit den (beschwipsten) Einparkversuchen (Ein Ricard in Ehren kann niemand verwehren…)
      Zum Abwehren der Autoknacker sind mir „unbeliebte“ Fahrzeuge noch lieber als verbeulte. Selbst bei den Youngtimer hat mich zwar Patina nie gross gestört, aber Beulen mussten weg wenn welche da waren 🙂

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  2. Hallo Marc, an Dir ist echt ein Satiriker verloren gegangen 🙂
    In irgendeiner Export-Autos-in-Afrika-Doku habe ich mal gesehen, dass sie dort, um den Verkaufswert des verlebten Auto-aus-Europa zu erhöhen, einfach einen CH-Kleber hintendrauf kleben. Denn dort wissen die auch, dass der Schweizer sein Schätzchen immer regelmässig in einer Vertragswerkstatt warten lässt.
    Der Niederländer tunt sein Auto indem er eine Anhängerkupplung für seinen Wohnwagen dranschraubt und am Wohnwagen sind dann die vielen Aufkleber der benutzten südeuropäischen Fähren, Campingplätze und CH-Vignetten (alles gerne mit fortlaufenden Jahreszahlen der letzten 20 Jahre) angebracht. 🙂
    Gruss Robert

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