Mit gutem Ton: der hk495i

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Öhm…? Nie gehört von diesem Exot? Völlig unbekanntes Kürzel? Jaa, dieses Modell trägt seine Räder eben vorne und ist nur beschränkt mobil. Aber es tönt gut und ist alt. Damit passt es ins Youngtimer – Thema. Einfach in einem anderen Gebiet: HiFi.

Ja, es gab eine Welt vor den Smartphones. Ja, auch damals konnte man mit einem Gadget angeben und über Daten, Design und Klang streiten. Wir reden vom Yuppie-Zeitalter. Genauer: dem HiFi-Boom der 1980er -Jahre. Kaum ein Film kam damals ohne teure Stereokisten im Hintergrund aus. Sie hatten schwarz zu sein, über geschliffene Alufronten zu verfügen und Leistung. Am Ende kam dabei heraus: Klang.

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Die Teenieträume drehten sich um Technics gegen Sony, Tangential-Automatic-Plattenspieler gegen Kleinserien-Tonarm-Dreher mit kugelgelagertem Riemenantriebsmotor. Später im Auto Alpine gegen Pioneer. Kenwood war vor allem bekannt durch überdimensionierte Klebeschriftzüge, die die noch grossen Heckscheiben vollpflasterten. Oder kennt noch jemand JVC?

Warum das Ganze: Disco und Punk waren in, Musik prägte die Jugendkultur noch stärker als heute und wer etwas auf sich gab, hatte eine schicke Stereoanlage. Spätestens dann, als 1983 die ersten CD-Player käuflich wurden. Diese tönten einfach nur gut, wenn der Rest der Anlage mitkam. Ausschliesslich käuflich war die Musik selber: no streaming, no downloading. Dafür eine künstlerisch wertvoll verpackte LP, vierzig Minuten à 20.- Franken. Cash, please: CDs waren noch teurer. Anfangs gegen vierzig Franken pro Scherbe. Heftig, aus heutiger Sicht. Dachte sich wahrscheinlich auch Steve Jobs und erfand iTunes. Lassen wir, ist eine andere Story.

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Teuer, diese Geräte und die Software dazu. Und gross: Standard (jawohl, das gab’s) waren die breiten 43cm-Kisten, später kam das Midi-Format auf (35cm). Die 80er waren ein Technik-Jahrzehnt. Das sieht man den kühl und nüchtern gestalteten Teilen an. Firlefanz war verpönt, wirkte billig, Plastikgehäuse ebenfalls. Der wahre Fan deckte sich an einer Audio-Messe wie der „fera“ in Zürich oder der Funkausstellung Berlin mit Prospekten ein und stellte sich aus verschiedenen Marken seinen optimalen Turm zusammen. Gern genommen dazu: Lautsprecher im Format eines Sportwagen-Kofferraums. Schön nussbaumfurniert, optional Klavierlack, glanzpoliert. Mann (ich kenne wenig Frauen, die sich dieses Hobby leisteten) setzte sich dann genau ins „Stereodreieck“ (wer das noch kennt, muss mindestens fünfunddreissig sein), liess den Strom die Geräte heizen und war glücklich. Meist: ohne Zubehör unter den Boxen war der Klang im eigenen Zimmer dann doch nicht mehr so astrein wie beim Händler. Also mussten noch „Spikes“ her, spitze Füsse gegen Schallübertragung via Boden. Alles zusammen kostete ein kleines Vermögen: gehobenes Mittelklasse-Hifi mit allen Geräten und Speakern so um die 6000 – 8000.- Franken. Gegen oben ging immer noch etwas: ich erinnere mich an ein Kassettendeck des japanischen Spezialisten Nakamichi, welches allein mehrere tausend Franken kostete oder die handgemachten High-End-Kraftwerke von Burmester beispielsweise. Um die zu installieren, benötigte man Muskelmänner. Verstärker-Endstufen hatten da gerne mal Gewichte von 50 Kg oder mehr…

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Ach, gute alte Zeit. Mich faszinierten die schönen Fronten mit ihren auch haptisch ausgetüftelten Schaltern (Stichworte: Druckpunkt, Rasterung) und immer aufwendigeren Anzeigen. Und: weil die Elektronik damals simpel und sehr unverdichtet war, laufen viele der Teile noch heute problemlos. Spannend auch: es gab einen Hersteller, der in etwa das gleiche Image hatte wie Mercedes. Absolut zuverlässig, neuste Technik, extrem wertig und tresorartig gebaut: Studer Revox. Wer davon etwas zu Hause hatte, war meist auch in der Lage, einen Stern in der Garage zu parkieren. Käuferschicht mittelalt, prestigeanfällig und liquid. Klasse Geräte, legendär als so genannte Bandmaschinen zum Musik aufzeichnen. Leider ist davon nicht viel übrig geblieben.

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Fast vergessen, der hk495i, der stellvertretend für diese Ära diesen Artikel begründete, ist ein „Receiver“ von harman/kardon. Damals ein Gerät einer kleinen Firma guten Geschmacks, hat das ’86er-Modell bis heute überlebt.

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Der kleine kombinierte Empfänger/Verstärker kann eigentlich nichts, ausser ein paar wenige Geräte verstärken und 8 (!) UKW-Sender speichern. That’s it. Aber er tönt gut, sieht sehr zeittypisch aus und begleitet mich noch heute zuverlässig: im Stereodreieck…

2 Gedanken zu “Mit gutem Ton: der hk495i

  1. Schöner Bericht und Fotos! Leider erst jetzt entdeckt. An die FERA ging ich auch immer gerne, massenhaft Prospekte gesammelt. Auch heute stehen noch 2 Technics HiFi-Anlagen zuhause rum, natürlich mit Plattenspieler 🙂 Ein Revox-Spulentonbandgerät war damals immer ein Traum! Mein erster CD-Player war von Philips – war richtig schwer und massiv. Ach, da kommen Erinnerungen auf!

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