Jeep Cherokee 4.0 – Indianerfeeling für jeden Tag?

Es gibt Leute die sagen von sich, wenn sie etwas machen würden, dann nur richtig und ungefiltert. Die essen dann ein 18oz Steak statt nur die Warmduschervariante von 7oz. Oder sie drehen sich ihre American Spirit selbst, statt eine Gesundheitsmentholzigarette zu paffen. Passt ein Jeep Cherokee 4.0 in diese kompromisslose Welt?

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Die Frage, welcher Ami den hiesigen Cowboys einen ausreichenden Schuss USA vermitteln kann, haben wir schon beim Test des neuen Mustangs aufgeworfen. Dort ging es darum, ob der Ecoboost Mustang mit 4 Zylindern dem Feierabendkuhjungen in Europa ausreicht, oder ob er sich nicht besser den V8 reinziehen soll. Nun, beim fahrenden Indianer namens Cherokee steht keine V8-Alternative zur Verfügung. Wer einen solchen Motor braucht um sein Fernweh zu stillen, muss zum grossen Indianer Grand Cherokee greifen. Den gab es mit 4.7, 5.2 und 5.9l 8 Zylinder. Den Cherokee um den es hier geht, war mit einem 2.5l-Freiheits-Dieselmotor („Freedom“), einem 2.5l 4 Zylinder „Jamboree“ (das heisst Pfadfinderlager…) sowie mit dem getesteten 4.0 Reihensechser (der angeblich limitiert sein soll „Limited“) erhältlich. Mit diesem Motor kommt einiges an US-Gefühl auf, aber der Kahn bleibt dabei europatauglich mit seinen Ausmassen. Ganz unamerikanisch konnten die Kunden in Europa auch einen Turbodiesel von Renault bzw. von einem italienischen Zulieferer bestellen.

Es ist eines der letzten Autos, bei denen man(n) weiss, wo das eigene „Castle“ anfängt und aufhört. Er gehört nicht zu den weichgespühlten US-Cars, welche sich international geben wollen und schlussendlich einfach sehr japanisch und damit billig wirken. Dieser hier hat noch typisch amerikanische Eigenheiten wie den Licht-Rausziehschalter oder die wild verteilten Chromschalter. Selbst das Blinkrelais hört sich nach dem american way of flashing drive an. Ganz verleugnen kann der Cherokee damit nicht, dass er bereits 1984 vorgestellt wurde.

Take a seat, man fühlt sich auf Anhieb wohl darin.

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Die Beschreibung der Schalter wird mit Vorteil vor der Abfahrt durchgelesen. Die Officers mögen es nicht, wenn man unterwegs die Lesebrille bzw. Lupe hervornimmt und sich über die Möglichkeiten, welche diese zahllosen Kipp-, Drück-, Zieh- und Ichweissnichtwasallesschalter bieten, informiert.

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Es kann aber auch sein, dass einige Schalter und Anzeigen im Alter nicht mehr so tun wie sie sollten. Das ändert aber nichts an der Grundfunktion dieses unzerstörbaren Automobils, es fährt weiterhin von A nach B.

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Auch hier gibts Halbzeit und Vollzeit. Es geht aber weder um Fussball noch um Personalplanung sondern um die Art des Antriebes; Heck, Allrad, Allrad mit Sperre, Neutral oder Allrad mit Untersetzung.

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Schaut doch gemütlich aus für den nächsten Ritt durch die Prärie?

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Ausstellfenster haben deutsche Hersteller, die laut ihrer hauseigenen einheimischen Presse immer alles richtig machen, schon 10 Jahre früher beerdigt. Dabei sind sie erstens praktisch, da sie fast zugfreie Lüftung bieten und zweitens eignen sie sich zum „Cruisen“, wenn man lässig den Arm am Steg abstützen kann. 🙂

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Ja, nicht nur Japaner und Mercedes schaffen hohe Laufleistungen. Dieser hier wird für Fernreisen wie für den Weg zur Arbeit täglich weiter gebraucht. Die 400’000km warten! Gekauft wurde der Wagen vom jetzigen Besitzer mit 141’000km. Wenn das keine automobile Liebe ist…

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Ein kleiner Test abseits der Strassen kann nicht schaden, wir wollen doch wissen, ob es sich hier um einen SUV* oder ein praktikablen Kombi mit Geländegängigkeit handelt.

(*Freie Definition eines klassischen SUV und seines Verwendungszweckes: Neues, böse aussehendes, höhergelegtes Vehikel, welches Helikoptereltern mit grossem Geltungsdrang gepaart mit einem eher gering entwickeltem Selbstbewusstsein dazu dient, die eigenen Wunderkinder von der Schule abzuholen. Da der Schulweg dermassen unwegsam und gefährlich ist, wagt man sich nur mit dem SUV dahin. Im wirklichen Gelände werden die Kisten nie eingesetzt, dafür fehlt den Fahrer/innen der Mut. Verständlichweise, sie wurden auch nur für die martialische Optik „designed“ und nicht für den richtigen Camel-Man) Nun lassen wir aber die Ironie, der Wagen wirkt wie bereits erwähnt im Vergleich mit einem Mercedes ML oder einem Cayenne sowieso schmal und klein.

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Der Geländetest war (leider) keine mehrstündige Camel-Trophy-Etappe. Dies ist in Mitteleuropa etwas schwieriger legal zu organisieren. Aber im regnerischen und feuchten Wald mit seinen Schlammpfaden hat sich der Jeep wohl gefühlt und keinen Zweifel darüber gelassen, dass solche Aufgaben für ihn noch keine wirkliche Herausforderung darstellen.

Ich kuck zwar nicht böse, aber auch nicht gerade wie ein Opferlamm. Familienauto und Cowboy-Car in einem 🙂

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Ein Monument von einem Motor, 242 cui Reihensechszylinder, oder für Europäer, 4.0l. Nix V zum Platzsparen oder so, sondern ganz klassisch; alle 6 Freunde in einer Reihe – ready to work. Dieser von AMC (American Motors Company) entwickelte Motor gibt es seit 1964 und pensioniert wurde er erst 2006. High Output durfte sich die Top-Leistungsvariante mit bis zu 185 tapferen Pferdchen schimpfen.

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Der Agrarhaken nimmt übrigens 2500kg mit.

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Nachdem die schönen amerikanischen Marketingbegriffe der 50er bis 70er Jahre wie z.B. „Turbo-Hydra-Matic“ für ein handelsübliches Automatikgetriebe langsam nicht mehr zogen, beschloss man, im Land der begrenzten Möglichkeiten zu neuen Waffen zu greifen. Wobei, so neu waren die auch nicht, die Asiaten hatten sie auch schon angewendet und gegen die verlor man Mitte der 80er Jahre im patriotischen Amerika erosionsartig Marktanteile. Die Japaner hatten es verstanden, sparsame Autos zu bauen, welche den amerikanischen Käufer trotzdem ansprachen  – dank plüschigen Velourssitzen und viel Ausstattung.

Der Marketinggag-Nachfolger der 80er und 90er Jahre sah aus meiner Sicht so aus: Nimm irgendein Auto, mach ein paar Zusatzausstattungen rein und erzähl dann Bill dem Farmer aus Tennessee oder Ashley der schicken Anwältin aus Vermont, der Kahn sei limitiert. Gibt doch ein „Habenwollen-Gefühl“? Morgen hat’s vielleicht keine mehr… 😀 Die Japaner haben das mit tausendfach produzierten und leicht „veredelten“ Plastikkisten auch erfolgreich umgesetzt, also muss das doch klappen. Falls Sie nun selbst das Gefühl von Bill oder Ashley nachempfinden möchten, gehts hier zum Prospekt von 1988.

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Klare Formen, kein geduckter Käfernachbau mit Schiesschartensehschlitzen wie viele Autos heute, so zeichnen Kinder Autos.

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Der Wagen muss auch heute noch oft hart ran. 

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Der Thurgauer Cowboy fuhr vor dem roten Testauto diesen dunkelgrünen Jeep auch in Nordafrika.

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Auf den nachfolgenden Bildern sehen wir den Cherokee auf Finnlandreise. Soll noch jemand sagen, dass sei kein zuverlässiges Auto.

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Hier auch in Irland…

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Zum Abschluss sehen wir hier den kleinen Indianer noch in Südfrankreich in Aktion.

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Fazit: Für US-Verhältnisse ist der Cherokee arg klein geraten. Was ihm aber bei uns in Europa eher zugute kommt. Er passt in unsere Parklücken und sitzt überall wie ein legerer Freizeitanzug. Sei es auf dem Firmenparkplatz, sei es vor der Kirche oder der eigenen Garage. Nirgends wirkt er angeberisch oder als Dränglerauto. Er unterstreicht heute eher den fröhlichen Drang seiner Besitzer zu Abenteuern und seien diese auch nur Kleine so nach Feierabend. Als Familienauto ist der Jeep dabei geeignet, er bietet mit seiner Höhe auch einen guten Überblick über den Grosstadtdschungel. Der Verbrauch wird vom Besitzer mit „ca. 13l“ angegeben, damit stellt er kein Sparwunder dar. Sparsamer als ein V8-Pendant wird er aber auf alle Fälle sein. Nun, aber zur finalen Frage: taugt er auch als Vermittler des US-„way of drive“? Er bietet keinen V8 Sound, aber mit seinem tief brummenden, grossen Drehmomentmotor gepaart mit der amerikanisch schaltenden Automatik und der weichen Servolenkung sage ich klar ja.

Nachsatz: Wer es wilder mag, führe sich die Seite „Jeepspeed“ zu Gemüte.

3 Gedanken zu “Jeep Cherokee 4.0 – Indianerfeeling für jeden Tag?

  1. Ganz klar hat es Jeep mit dem XJ Cherokee geschafft neue Käuferschichten zu erschließen. Ähnlich, wie der fast zeitgleich erschienene Plymouth Voyager hat man es Anfang der 80er Jahre bei Chrysler verstanden die Abkehr von den Full-Sizie Fahrzeugen der Vergangenheit zu vollziehen.

    So gab es vom Cherokee zwei Derivate, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Zum einen den luxoriöse Wagoneer:

    Und den Cherokee als Arbeitstier, den Comanche:

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