Es ist mir eine grosse Freude, unserem Artikelarchiv einen weiteren italienischen Touch geben zu können. Nach dem Intensivtest des neuen Alfa Stelvio, berichten wir erstmals über einen Oldtimer vom Stiefelland. In der reisebefreiten Coronazeit möchte ich Ihnen von meiner kleinen Italienreise daheim erzählen.
Bescheiden sind wir in der Krise zwangshalber geworden. Sei es bezüglich der Wahl der Reiseziele oder der persönlichen Freiheiten. Das Wort „bescheiden“ kam mir auch zuerst in den Sinn beim Kontakt mit dem GT: „Was, der hat nur einen 1.3 Liter-Motor? Wenn ich da an den geringen Vorwärtsdrang der VAG-Produkte mit demselben Hubraum denke…“ Die Enttäuschung hingegen währte nur kurz.
Kaum hinter dem Steuer Platz genommen, stelle ich befriedigt fest, dass meine Schuhwahl mit schmalen Ledertretern heute genau richtig war. Die stehenden Pedale kuscheln eng aneinander (dürfen die das?) sind aber nach kurzer Zeit schon knackig zu bedienen. Der Motor springt sofort an und teilt schon im Leerlauf mit, dass ein Vergleich mit einem deutschen Motor selber Grösse eine pure Beleidigung ist. Scusi Junior, mi dispiace!
Sein Ton macht klar, „ich bin bereit, die Frage ist, bist Du Fahrer es auch? Ich gebe mir Mühe!“ Ich fahre los und rechne mit einem fast nicht zu findenden Schleifpunkt, einer unhandlichen Lenkung und treffe genau das Gegenteil an. Schon beim Verlassen der 30er Zone haben wir uns leidlich aneinander gewöhnt und es wird immer besser. Das toll zu schaltende Getriebe macht mir bei jedem Gangwechsel Freude, der Motor lässt seine sympathische Stimme mit typisch italienischem Akzent ertönen, dass ich mich im Hinterthurgau der Toskana näher fühle als je vermutet. Schon bereue ich es, dass ich meine braunen Fahrerhandschuhe im Plymouth gelassen habe. Hier passen sie perfekt, der Gentleman welcher mich dieses Auto grosszügigerweise fahren liess, benützt ähnliche ebenfalls. 89 PS erbringt der kleine Motor dank 2 Solex Doppelvergasern, genug um Überland zügig vorwärts zu kommen. Wenn der Motor warm ist, dürfen es gerne etwas mehr Drehzahlen sein, unter 2000 U/min räuspert sich der Motor beim Gasgeben erst, als wolle er einem sagen; sono un italiano, non un americano, mich musst Du drehen amico!
Kaum sind wir ausserorts unterwegs fällt mir ein weiterer Punkt auf, welcher oben genannte deutsche Produkte nie hatten, dieser Alfa ist selbst in der Juniorversion mit serienmässig 5 Gängen unterwegs. Das Fahrwerk fühlt sich vom Stande der Entwicklung mindestens 15 Jahre frischer an. Dieser Wagen war Ende der 60er für sportliche Zeitgenossen auf jeden Fall eine gute Wahl und gegenüber einem BMW konkurrenzfähig. Erst später verlor Alfa an Qualität und sackte gegenüber München ab. Diese aber verspielen nun einen Teil ihres Vorteils, mit einem Designexzess, während Alfa sich heute gezielt an Stilelementen von früher orientiert. Alfa ist und bleibt wie auch beim Stelvio-Test geschrieben keine Marke für Jedermann, es ist der starke Espresso für Geniesser. Nicht jeder mag ihn so stark, die Fans aber berauschen sich daran.
Auf diesem Bild ist ersichtlich, warum man hier von einem „Kantenhauber“ spricht. Die Haube sieht für den Laien erst aus wie nicht ganz geschlossen. Muss aber so sein, die genauen Spaltmasse fallen übrigens auf, wir reden hier ja von einem Baujahr 1969!
Dieser Alfa wird von seinem Besitzerpaar regelmässig ausgeführt, er dankt es ihnen mit zuverlässiger Mitarbeit. Wieder ein Vorurteil, welches sich nicht bestätigte. 🙂
Teil 2 wird zeigen, wie sich der Alfafahrer am Steuer meiner Cowboyautos schlägt und was ihm dabei gefällt und missfällt.
Klasse Artikel, klasse Auto! Gut und mit viel Herzblut geschrieben – man spürt die Begeisterung.
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Danke 🙂
Es stimmt, auch Italiener können mich begeistern. Leider habe ich zuwenig Budget und Parkplätze… 🙂
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Wunderbares Intro das zum Weiterlesen verführt und … man wird nicht enttäuscht. Zu dir oder zu mir?! Ich freue mich auf das Versprochene und bin auf den Ausgang (im dt. Sinne, nicht schweizerisch) gespannt.
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Danke vielmal Hupe 🙂 das freut mich!
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