Buick Park Avenue – the last dinosaur?

Sagt Ihnen dieses Modell etwas? Nein? Dann lassen Sie uns den Horizont erweitern!

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Mich persönlich hat der Buick Park Avenue (kurz PA) seit meiner Kindheit nie ganz losgelassen. Mein Grossvater fuhr ebenfalls einen solchen Dinosaurier. Vielleicht erinnern Sie sich an dieses Bild, ich habe es schon im Familienphotos-Beitrag Teil 3 veröffentlicht:

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Der blaue PA gehörte meinem Grossvater, der Rote seinem Schwager. Hier handelt es sich um frühe Baujahre, beim Testwagen bereits um das „Facelift“.

Der PA spielte bei uns in Europa nie die Rolle, welche sich die Herren von GM im fernen Amerika vorstellten. Er sollte vermutlich sogar die S-Klasse von Mercedes herausfordern, als weltmännische, amerikanische Alternative zum Schwabenpanzer W140. An was lag der ausbleibende Erfolg in Europa? War es eine Mühle, welche die Pannendienste oft sahen wie den Chrysler Voyager, eine fahrende „Zitrone“? Oder waren die Europäer einfach nicht bereit, für einen grossen Amerikaner welcher „nur“ mit V6 ausgestattet war, den Gegenwert einer guten E-Klasse hinzublättern?

Lassen wir diese Fragen mal offen, beantworten kann sie vermutlich niemand abschliessend. Widmen wir uns dagegen lieber erstmal dem Testwagen, einem 96er Park Avenue. Der riecht innen übrigens genauso wie derjenige meines Grossvaters, gewisse Gerüche vergisst man nie.

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Er ist laaang, so gross stellen sich Europäer Staatslimousinen vor. Für die Amerikaner ist es einfach eine full-size Limousine der 90er Jahre. Nicht mehr so gross wie in den 70ern die Limos noch gebräuchlich waren. Positiv zu erwähnen ist das unglaubliche Platzgefühl dank der grossen Fensterflächen und des langen Radstandes. Der Kofferraum mag mindestens 2 Leichen aufnehmen, die Kunden der Halbwelt wissen derartige Features sicher zu honorieren. Ob dieser Anspruchsgruppe aber der V6 mit Frontantrieb reicht? Powerslides, wilde Verfolgungsfahrten und weitere derartige Bedürfnisse deckt ein Chevy Caprice mit V8 sicher besser und spektakulärer ab. Dafür beherrscht der PA den diskreteren Auftritt im Vergleich zur Proletenlimousine von General Motors. Lassen wir die Bedürfnisse dieser Kundengruppe, der PA hat solche Vergleiche nicht verdient. Er hat das recht auf eine objektivere Auseinandersetzung mit ihm.

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Typisch amerikanisches Schlüsselsystem, 1 Zündschlüssel und einer für Türe und Kofferraum. Die Schlüsselchen wirken, als könnte man den Wagen auch mit einem Schraubendreher öffnen und starten. 🙂 Das Vorhandensein eines Anti-Blockier-Systemes wird dem Fahrer beim Starten des Motors in Erinnerung gerufen.

Wie früher, die Gänge werden per Lenkradautomatik gewählt. Die Bedienunganleitung bittet den Fahrer, die Gänge nicht bei „rasendem Motor“ zu schalten 🙂 Der Übersetzer lässt grüssen…

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Das sind nur die Schalter in der Fahrertür, es geht so weiter über das ganze Armaturenbrett 🙂 Man kann gerne meckern über Mercedes, aber die Schalter werden dort in etwas zurückhaltender Anzahl ins Cockpit gekleistert. Festzuhalten ist aber, nach einer kurzen Angewöhnungszeit ist jeder Schalter schnell zu finden. Wenn man an die heutigen idrive-Systeme denkt, ist dieser PA eine Wohltat dagegen. Und amerikanisches Gebimbel gehört einfach dazu wie der Multilenkstockhebel beim Daimler.

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Wärend mein Firebird mit einer „Radial Tuned Suspension“ aufwarten kann, bietet der PA eine „Gran Touring Suspension“. Goldig, nich? 😀 Die Amis sind grossartige Marketingfritzen, hört sich doch gut an, das Fahrwerk für die grossen Touren! 🙂 Das „Turbo-Hydra-Matic“ Getriebe steht dem in nichts nach. Die Instrumente im typischen 90er-US-Design selber wirken dagegen auf mich sehr beliebig, ein Japaner kommt nicht liebloser daher in diesem Punkt. Die Ablesbarkeit des Tachometers ist eher bescheiden mit diesen vielen Strichen.

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Das Platzgefühl hat doch was!

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Keine Sehschlitze wie bei heutigen Limousinen, hier verfügt der Fahrgast noch über Öffnungen welche den Namen Fenster verdienen. Die Sitze sind superbequem, hat auch meine bessere Hälfte wohlwollend bemerkt und die Fahrt verschlafen. Ich denke, das ist ein Kompliment für den Wagen. 🙂

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Lassen wir ihn erstmal waschen, damit Sie auch einen sauberen Park Avenue bewundern können.

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Voilà:

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Eine riesige Motorhaube, darunter versteckt sich ein 3.8 Liter V6 mit Frontantrieb welcher über 204 PS verfügt. In Amerika waren in dieser Zeit PS-Angaben nicht mehr üblich in Prospekten, man bewarb die Motoren einfach mit „powerful“ oder ähnlichen Adjektiven. Mit den grandiosen SAE-PS-Zahlen aus den 60ern und 70er Jahren konnte man nicht mehr punkten. Zum einen wurden jetzt auch DIN-PS (tieferer Wert) angegeben, zum anderen waren effizientere und kleinere Motoren gefordert. Im ersten Moment ist man als amerikanophiler Schweizer erstmal enttäuscht, dass kein V8 mit Heckantrieb seinen Dienst in diesem Wagen verrichtet. Gehört doch die US-Flagge und die erwähnte Bauweise der Motoren unzertrennlich zusammen. Langsam sich drehende, blubbernde, sich im Leerlauf schüttelnde 8 Zylinder, gerne mit offenem, verchromten Luftfilter darüber, leider geil. Effizienz ist was anders.

Dieser V6 läuft ruhig und weich, er beschleunigt zügig, die Automatik schaltet butterweich und früh in den Overdrive. Sicher gewinnt er keinen Blumentopf gegen eine Deutsche Oberklassenlimousine im Quarter-Mile-Race oder in der top speed. Nur, sind diese erwähnten Disziplinen die Kernkompetenzen einer grossen Limousine? In Deutschland sieht man das vielleicht anders, man rast als „erfolgreicher“ Manager gerne im 7er BMW oder Audi A8 mit 250km/h zum Sensemann zum nächsten Termin. Ein Patron (schweizerisch für Geschäftsführer mit Verantwortungsgefühl) alter Schule welcher langfristige Entscheidungen mit Gefühl und Ruhe an seinem Reiseziel treffen möchte, ist mit einem PA als Reisewagen sicher nicht falsch bedient.

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Wie gefällt er Ihnen?

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Fast dezent fügt er sich in das schöne Dorf Kirchberg im Kanton St. Gallen ein.

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Vor einem typischen Toggenburger Haus:

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In der schönen Wiler Altstadt. http://www.stadtwil.ch/de/portou/tourismus

Hat dieser Wagen nicht etwas mehr Aufmerksamkeit verdient? Dauernd lesen wir überall über den Mercedes W126 und W140. Dabei zeigt dieser Buick stellvertrend für andere Amerikaner, aber auch den vergessenen Audi V8 oder 7er BMW, dass es in der Oberklasse durchaus spannende Alternativen gibt. Um auf den Anfang zurückzukommen, der Buick ist nicht bekannt für überdurchschnittlich viele Pannen. Wann gönnen Sie sich einen Exoten für den Alltag? Extrem durstig ist er nicht, Spritmonitor spricht von 10-11 Liter, meine nicht repräsentative Testfahrt von gut 160km ergab 8,9 Liter auf Langstrecke. Hilfreich ist sein verhältnismässig geringes Gewicht von ca. 1600kg und seine lange Übersetzung mit Overdrive. Sie meinen ein Zafira sei praktischer? Schon möglich, aber welche Fahrten geniessen Sie mehr? Zur Not können im PA auch mal 6 Personen mitfahren, das schafft keine Schwäbische Limousine, ätsch! 🙂

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Den gepflegten Testwagen erhielt ich von meinem Freund M.L aus M. Für sein Vertrauen möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken! Weitere Tests dieser Art werden folgen im Laufe des Jahres.

 

PS: der Nachfolger des PA trägt einen sehr Schweizerischen Namen: Lucerne 🙂 Als Dinosaurier würde ich den Nachfolger nicht mehr bezeichnen, dafür sieht er zu beliebig aus. Da war der PA noch charaktervoller, weniger rundgelutscht.

11 Gedanken zu “Buick Park Avenue – the last dinosaur?

  1. Klasse Bericht.
    Spiele selber seit längerem mit dem Gedanken einen PA zuzulegen, leider habe ich bis jetzt noch nicht den richtigen gefunden oder einer wo mir direkt zuspricht, dazu kommt auch noch die momentane Wirtschaftslage die wir hier in der Schweiz haben, die mir Sorgen bereitet (Job). Aber sobald ich das in ein paar Monaten geklärt habe, gehe ich auch auf PA Jagd, denn das Geld habe ich schon seit längerem fleißig zusammengespart und ich sehne mich nach was amerikanischem mit moderatem Verbrauch was mit 10-15 L/100km ohne Probleme für mich verkraftbar ist.

    Mein 96’er Corsa ist mir einfach zu klein geworden, vor allem beim Ein-Aussteigen habe ich zunehmend Probleme mit meinen Beinen und einen SUV will ich nicht (Angeber Karre, zu unübersichtlich).

    Da bin ich mit einem PA besser bedient, vorallem die durchgehende Sitzbank vorne, das Design der Karosserie, der Innenraum und mein Lieblings Feature der Wählhebel an der Lenksäule haben es mir angetan.
    Bin auch schon mit einem Chrysler New Yorker eines Bekannten mitgefahren und werde das nie mehr vergessen.
    Auch beim Gesamtgewicht war ich überrascht, der ist sogar leichter als der 5er Kombi von meinem Vater.

    Was mich noch etwas zurückhält sind die Horrorgeschichten über das Automatikgetriebes, dass oft kaputt geht und meistens im Totalschaden endet, aber das wohl eher wenn man nie das Getriebeöl samt Filter alle ~50 – 80’000 km wechselt. Über den Motor habe ich viele positive Dinge gehört, das bei normaler Wartung und regelmäßigem Ölwechsel samt Filter kaum Probleme da sind.

    Ich brauch keine Rakete, sondern etwas wo man gemütlich dahin gleiten kann und für eine kurze Zeit die Probleme vom Alltag vergessen kann.

    Nochmals Danke für den tollen Bericht und Grüsse aus der Zentralschweiz

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    • Hoi René

      Danke erstmal für Deine freundlichen Zeilen. Der Corsa ist an und für sich kein schlechtes Auto, aber die Frage ist immer wie die persönlichen Bedürfnisse und auch Gelüste so liegen 🙂
      Falls Du nicht gerade im gebirgigen Teil der Zentralschweiz wohnst, sollte das 9-11l bereits reichen denke ich.

      Zum Ein- und Aussteigen ist der PA sicher bequem, er wurde damals ja auch eher von der älteren Käuferschaft gekauft.

      Falls Du Lust hast, am 18.04. findet meine Frühjahrsausfahrt statt (siehe älterer Beitrag) eventuell hats da Park Avenues dabei.

      Grüsse aus der Ostschweiz
      Marc

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      • Hoi Marc

        Zum meinem Glück wohne ich nur etwas in der Anhöhe (550m.ü.M)
        Der Corsa ist wirklich kein schlechtes Auto und hat mich nie im Stich gelassen, nur sehne ich mich nach etwas grösserem, dass auch alltagstauglich ist und noch gleichzeitig den American Way of Driving verkörpert.
        Dazu kommt noch das der Corsa schon an der 240’000er Km Grenze kratzt, 19 Jahre alt ist, keine Klimaanlage hat und die MFK wohl im März oder April vor der Tür steht, wenn da grosse Investitionen auf mich zukommen, dann muss er Weg.

        Wegen dem manövrieren habe ich keine Angst, denn ich hatte auch nie Probleme mit dem VW T5 (530cm länge, 200cm Breite), der die Firma hatte, wo ich zuvor gearbeitet habe. Wenn man vorausschauend fährt und etwas räumliches Vorstellungsvermögen hat, dann sollte man mit dem Buick gut zurecht kommen, da er sehr gute Rundumsicht bietet, was man von heutigen Autos selten erwarten kann.
        Was ich noch sagen muss, dass ich heute einen 93er PA bestaunen war und ihn mit meinen Augen sehen konnte.
        Auf Fotos sah der viel grösser aus, in Realität wirkte er für mich wie ein normal lange Limousine, also nicht übermässig gross sondern eher normal. Obwohl man bei den Massen von 1.88cm Breite und 5.25m Länge meint es sei ein Riesen Landbarge, dabei kam er mir so „klein“ vor als ich davor stand.

        Wegen dem 18. April muss ich noch schauen, weiss nicht ob ich dort Arbeiten muss oder nicht.
        Jedenfalls Danke für das Angebot.

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    • Ich teile ich Deine Meinung absolut 🙂

      Stelle fest, dass ich viele Rückmeldungen zum Buickbericht aus Deutschland bekomme. Ich dachte, bei Euch belächelt man so Amischiffe mit V6. Aber nein, selbst im Benzforum haben sich einige als heimliche Fans geäussert, hat mich gefreut!

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  2. Ay Schweiz-Mann,

    mein alter Kunstlehrer, wohnhaft im Nachbardorf meiner Eltern, hatte auch einen Park Avenue und war damit definitiv der erklärte Antichrist zwischen all den ländlichen BMWs und Daimlers. Ich fand den schon immer großartig, und ich habe auch kein Problem mit japanisch anmutenden Armaturen 🙂 Wenn du einmal in einem voll ausgestatteten Mazda 929 gesessen hast weißt du, wie sexy beleuchtetes Plastik auf ganzer Cockpitbreite sei kann.
    Ich seh schon ich seh schon ich komme mal wieder in Richtung Ami… irgendwann…
    Morgen -> wird erstmal ein Roadrunner fotografiert. Daumen drücken, dass die Wolken nicht den angekündigten Regen rauslassen 😉

    Sandmann

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    • Ay Nordmann 🙂
      Der Antichrist 😀
      Leider fehlt mir noch die Erfahrung mit barocken Japanern, mal sehen was da noch kommt!
      Wenn Du mal Amisehnsucht hast und im Süden bist -> meld Dich.

      Aber jetzt hast Du morgen ja erstmal ne doppelte Dosis, mehr als Ihr Arzt oder Apotheker empfiehlt 😉

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    • Marc ist bekannt für seinen ausserordentlichen Schleichfuss… 😉 Ich konnte ihn bisher noch nicht unter 10 Liter bewegen, allerdings hab ich ihn bisher auch nicht nur ausschliesslich auf Langstrecke benutzt. Da müssten theoretisch noch tiefere Verbrauchswerte möglich sein!

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